Ankommen in Deutschland - Afghanistan im Herzen


… Es heißt gern, Krieg und Hunger kennten die alten Menschen ... denen die Nächte im Keller noch unter der Haut stecken, aber das stimmt nicht, da sind auch alle die Jüngeren, die in anderen Kriegen, vor anderer Gewalt fliehen mussten, die vertrieben wurden, versklavt, vergewaltigt, die als nicht zugehörig, als fremd ausgeschlossen wurden. Sie tragen auch Schatten in sich, auch wenn es andere sind, sie schrecken auch auf bei einem falschen Geräusch, sie kennen auch diese Furcht vor dem Schmerz, sie kennen die Trauer ...
Warum werden sie vergessen, wenn wir heute von Erinnerungen an Tod und Zerstörung sprechen? Warum zählen sie nicht? ... Carolin Emke

Teaser

Ankommen in Deutschland

In der Video-Installation werden die Betrachter eingeladen, auf dem Teppich sitzend Gast der Familie zu werden. Drei Generationen sprechen über ihre Heimat, die sie verlassen mussten und über ihr neues Leben in Deutschland. Auch die verloren geglaubte Tochter wird durch die Erzählungen der Anderen Teil dieser analog-digitalen Familiengalerie.
Der Betrachter betritt einen Raum, Teppich und Sitzkissen laden zum Verweilen ein. Ein Großbildschirm zeigt eine Galerie von 10 Zeichnungen, Porträts der Familie. Der Betrachter - als „Gast der Familie“ - ist eingeladen, mit ihnen „ins Gespräch zu kommen“, wie es die Künstlerin selbst erlebt hat.
An den Wänden sind die in den Sitzungen entstandenen Kohlezeichnungen zu sehen.
Über ein Streamdeck bekommt der Betrachter die Möglichkeit, sich einer einzelnen Person „zuzuwenden“, das gewünschte Video anzuwählen und die jeweilige Portrait-Situation erscheint in Großaufnahme.
Die Übersetzung fertigte einer der Söhne an.

Video für Video ergibt sich so ein Bild der Familie zwischen zwei Welten:
Wieviel der eigenen Identität wollen, wieviel müssen sie aufgeben, um in Deutschland leben zu können? Welche guten, welche schlimmen Erinnerungen tragen sie in sich? Was wünschen sie sich für ihre Zukunft?
Aus politischen, religiösen und kulturellen Gründen bat die Familie darum, ihre Persönlichkeiten so weit zu schützen, dass die Gesichter und die Stimmen nicht direkt erkennbar sind. Die Kameras nähern sich aus diesem Grund nur indirekt den Portraitierten, der Fokus liegt auf der entstehenden Zeichnung und der Betrachter bekommt ein Abbild der Person durch den subjektiven Blick der Künstlerin vermittelt.
Das Elternpaar spricht in seiner Muttersprache Persisch, deren Stimmen werden durch zwei Synchronsprecher überlagert.

Mit Unterstützung von:

Kamera: Stefanie Trambow, Stephan van den Bruck
Videomontage: Stefanie Trambow
Übersetzung: Muhib Sadat

Synchronsprecher: Christina Roterberg, Martin Schubach
Sprachregie/Aufnahme: Oliver Brod
Programmierung: Stefan Kutsche
Bildnachweise: Videostills Stefanie Trambow

Zitate aus den Videos:

Nadia (28): Ich war wie ein Junge, mein Papa sagte immer: Ich habe nicht drei Jungen, ich habe vier Jungen.
Zuleikha (52): Also ich bin glücklich, dass wir diesen harten Weg (der Flucht) hinter uns haben, der wie ein schlechter Traum für uns ist.
Asim (36): Wir wurden oft gefragt: warum seid ihr hier, Frau Merkel hat nur Araber eingeladen zu kommen. Das war sehr schwer für uns.
Homeira (16): Und genau da, als wir in unserer Wohnung ankamen, da hatte ich meine Ruhe gehabt. Also da habe ich erst gemerkt, okay, jetzt geht das Leben weiter von Null, da bin ich in die sechste Klasse gegangen.
Mohammad (6): Ich bin im Team von Borsigwalde, und Borsigwalde, das ist das stärkste Team.
Hashim (58): Ich bin glücklich in Deutschland. Aber seelisch bin ich nicht glücklich, weil mein Bruder in Afghanistan zurück geblieben ist. Auch meine Schwestern und mein Enkelkind sind dort, ich mache mir Sorgen.
Muhib (24): Unsere Kultur ist für uns eine eigene Welt in dieser Welt, sie ist wie ein Tropfen in einem See.

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